von der unendlichkeit der endlichkeit

von der unendlichkeit der endlichkeit 

 

Zwei Menschen begegnen sich zum ersten Mal und lassen den anderen in ihre persönliche, intime Welt blicken. Was folgt, ist eines der schönsten Gefühleüberhaupt; das Gefühl sich zu verlieben. Euphorie, Ekstase und Leidenschaft, das Leben wird zu einer spannenden Reise. Alles ist schöner, stärker, bunter mit diesem neuen Menschen. Doch was kommt nach der Ekstase, nach der Leidenschaft, wie geht es weiter? Wie kann ich dieses Gefühl von Unendlichkeit und Vollkommenheit halten? Wie kann ich eine Beziehung leben, mit in den Alltag nehmen? Wie sieht eine erfüllte Liebe aus?Auf der Suche nach Liebe, Selbstsicherheit und Unabhängigkeit scheitern die beiden Persönlichkeiten an sich selbst sowie an den Regeln einer Gesellschaft, die sie als funktionierende Bestandteile vereinnahmen will.

 

Von der Unendlichkeit der Endlichkeit– spielt mit verschiedenen Ausdrucksformen wie Sprache, Bewegung und Musik. Die Sehnsucht nach emotionaler und sozialer Vollständigkeit zeigt sich in Bewegungsabläufen und entwickelt sich als Widerstreit in den Texten.

 

Von und mit: Helena Aljona Kühn und André Fängler

Uraufführung: 5. Mai 2012 / raum13 deutzer zentralwerk der schönen künste 

 

Fotos: Alessandro / teaser

Bühnenfotos: Marc Leßle, Till Böcker

"Der erste Kuss wird als Tanz zelebriert. Federleicht wirbelt André Fängler Helena Aljona Kühn durch die Luft, um sie gleich wieder sanft auf den Boden gleiten zu lassen, grazil läßt Fängler sie durch die Luft schweben, sie lässt sich fallen, er fängt sie wieder auf. Sanfte Celloklänge untermalen die Sehnsucht der beiden zueinander – die Liebe als fernes Ideal, als Unendlichkeit, klingt an. Außer Atem bleiben die beiden Verliebten im Liebestaumel stehen, kokettieren, flirten miteinander, entfernen sich wieder und versuchen, das Verliebt-Sein in Worte zu fassen

Aus völlig verschiedener Perspektive: Von romantischer Sehnsuchtsmetaphorik inspiriert, rezitiert André Fängler den Dichter Friedrich Kalbfuß‘: „Wohin mein Auge auch blickt, ich bin dir nahe“. Zugleich steht Helena Aljona Kühn alleine vorne am Bühnenrand und referiert das Verliebt-Sein aus neurologischer Perspektive. Der kühle, verkopfte, vereinzelte Blick der Wissenschaft gegen den Wunsch, zu verschmelzen – das kann nicht gut gehen und zeigt genial, woran Lieben von modernen Menschen meistens scheitern.Auf Ekstase folgt Alltag, der immer hastiger rotiert, das tägliche Zubettgehen, morgens Kaffeetrinken, der Abschiedskuss- und irgendwann bleibt er aus.Es wächst die Angst, den anderen zu verlieren, das Misstrauen, fulminant in Szene gesetzt durch gegenseitiges Abstoßen und wieder Auffangen. Sie springt ihm in die Arme, er fängt sie zunehmend unwilliger auf. Eine Lösung scheint nur der Sex zu bieten, hilfloser Rückgriff auf den größten gemeinsamer Nenner einer Beziehung. Voller Anmut liegen die beiden am Schluss aufeinander und verschlingen sich zu einem Körper. Ein verzweifelter Versuch, sich am anderen festzuhalten, um sich dann doch mit parallelen Bewegungen nebeneinander aus den Augen zu verlieren.

Dem Ensemble gelingt ein erfrischender Mix aus Tanz-, Musik,- und Sprechtheater, in dem die Facetten der Liebe aufblitzen. Die Sucht, den Rauschzustand ewig zu verlängern, die Unendlichkeit des endlichen Daseins zu finden, um sie dann wie vorprogrammiert wieder zu verlieren. Das fast zwangsläufige Scheitern, wenn man den anderen nur als Ausweitung der eigenen Projektion sieht. Ein Muss -und eine Warnung – für alle Verliebten."

 

BENEDIKT BUTZ / Akt Theaterzeitung 

So liege ich,

biege mich, winde mich, gequält

von allen ewigen Martern,

getroffen

von dir, grausamster Jäger,

du unbekannter Gott…

Triff tiefer

Triff Ein Mal noch

Zerstich, zerbrich dies Herz

Was soll dies Martern

mit zähnestumpfen Pfeilen?

Was blickst du wieder

der Menschen-Qual nicht müde,

mit schadenfrohen Götter-Blitz-Augen?

Nicht tödten willst du,

nur martern, martern?

Wozu – mich martern,

du schadenfroher unbekannter Gott?

Du drängst mich, drückst mich,

Ha! schon viel zu nahe

Du hörst mich atmen,

du behorchst mein Herz,

du Eifersüchtiger

– worauf doch eifersüchtig?

Weg! Weg!

wozu die Leiter?

willst du hinein,

ins Herz, einsteigen,

in meine heimlichsten

Gedanken einsteigen?

Oder soll ich, dem Hunde gleich,

vor dir mich wälzen?

Hingebend, begeistert ausser mir

dir Liebe – zuwedelnd?

Mich – willst du? mich?

mich – ganz?…


Und marterst mich, Narr, der du bist,

zermarterst meinen Stolz?

Gieb Liebe mir – wer wärmt mich noch?

wer liebt mich noch?

gieb heisse Hände,

gieb Herzens-Kohlenbecken,

gieb mir, der Einsamsten,

nach Feinden selber,

nach Feinden schmachten lehrt,

gieb, ja ergieb

grausamster Feind,

mir – dich…


Davon

Da floh er selber,

mein einziger Genoss,

mein grosser Feind,

mein Unbekannter,

mein Henker-Gott!…

Nein

komm zurück

Mit allen deinen Martern

All meine Thränen laufen

zu dir den Lauf

und meine letzte Herzensflamme

dir glüht sie auf.


( Friedrich Wilhelm Nietzsche  – Die Klage der Ariadne )